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Seniorchef Helmut Claas gestorben
12.01.2021 um 10:59 UhrEr war Visionär, ehrlicher Arbeiter und begeisterter Techniker: Helmut Claas, der langjährige geschäftsführende Gesellschafter, Aufsichtsratsvorsitzende und Vorsitzende des Gesellschafterausschusses der Claas-Gruppe, ist am Dienstag im Alter von 94 Jahren verstorben.
Sein Tod löst tiefe Betroffenheit aus. Mit der Familie und allen Angehörigen trauern nicht nur weit über 11.000 Mitarbeiter weltweit, sondern eine gesamte Branche, die mit Helmut Claas „eine bedeutende europäische Unternehmerpersönlichkeit“ verloren hat, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte.
Auch im hohen Alter war Helmut Claas noch oft ins Büro gegangen, zuletzt aber wegen Corona doch lieber zu Hause geblieben. Zwar hatte er das rein operative Geschäft schon vor vielen Jahren in jüngere Hände gelegt, gleichwohl wollte er stets auf dem Laufenden sein, wollte wissen, was in seiner Firma vorging und gestaltet maßgeblich mit. Helmut Claas war Unternehmer mit Leib und Seele. Und vor allem: Er war bei seinen Mitarbeitern beliebt.
Auf die Frage nach seinem Führungsstil hatte er einst gesagt: „Das ist eine Kultur, die eigentlich seit der Gründung gleich geblieben ist.“ Damit meinte er das Prinzip des selbstverantwortlichen Mitarbeiters – geprägt von Vertrauen, Loyalität, Offenheit und Humor.
Helmut Claas wurde 1926 in Harsewinkel geboren. Seine Eltern August und Paula Claas leiteten die Landmaschinen-Firma mit damals etwa 100 Mitarbeitern. Nach dem Abitur absolvierte Helmut eine Ausbildung als Maschinenschlosser. Es folgten Praktika in metallverarbeitenden Betrieben und weitere praktische Studien auf dem Gebiet des Gießereiwesens.
Nach einem Landwirtschaftsstudium in Paris übernahm er die Verantwortung für die Planung und Gründung einer Vertriebsgesellschaft – der heutigen Claas France SAS. 1958 kehrte er nach Harsewinkel in den elterlichen Betrieb zurück. Hier widmete er sich zunächst vor allem seinem Spezialgebiet, der Technik.
1962 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Bei der Umgründung des Unternehmens in eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) 1978 trat Helmut Claas als persönlich haftender Gesellschafter ein. Im Zuge der gesellschaftlichen Umwandlung 1996 in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien wechselte er von der Funktion des geschäftsführenden Gesellschafters in die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden und Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses. Seit 2007 leitet seine Tochter Cathrina Claas-Mühlhäuser den Gesellschafterausschuss.
Sein besonderes Augenmerk galt stets der Entwicklung zukunftsweisender Produkte und ihrer wirtschaftlichen Serienfertigung. Im Krisenjahr 1971/72 bewies Helmut Claas Führungsstärke und Mut. In einer Phase, in der es dem Unternehmen wirtschaftlich nicht so gut ging, ließ Helmut Claas eine neue Mähdrescherfamilie entwickeln – den Dominator. Dabei war seine Idee der Modulbauweise bahnbrechend. Dank des Dominators wurde Claas bei den großen Maschinen Marktführer in Europa. In seine Ära fiel später aber auch die völlig neue Konstruktion eines Mähdreschers, des Lexion, der heute als der leistungsstärkste Mähdrescher der Welt gilt. Auch der Jaguar Feldhäcksler und der Großtraktor Xerion entwickelten sich unter seiner Regie zur Erfolgsgeschichte.
2003 gelang ihm ein wichtiger Schritt für die Zukunft des Unternehmens: Claas übernahm in Frankreich das Traktorengeschäft von Renault. Auch sonst kam die Internationalisierung mit dem Aufbau und Ausbau von Produktionsstandorten in Russland, den USA und China immer weiter voran.
Vier international bekannte Universitäten in Ungarn, Großbritannien, Bulgarien und Deutschland verliehen Claas die Würde des Doktor honoris causa (Dr. h. c.). So erhielt er unter anderem im Jahr 2000 den Titel des „Doktors der Agrarwissenschaften“ ehrenhalber von der Uni Stuttgart-Hohenheim. Diese Universität war es auch, die ihn 2004 in den Ehrensenat berief.
2009 verlieh ihm die Moskauer Gorjatschkin Universität den Titel eines Professors e.h. Im gleichen Jahr erhob Frankreich Helmut Claas in den Rang eines Ritters der französischen Ehrenlegion und würdigte damit seine Verdienste als Pionier der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Im November 2013 – kurz nach einem schweren Autounfall – wurde Helmut Claas in die Hall of Fame der „American Equipment Manufacturers“ aufgenommen. 2017 hat ihm das Deutsche Institut für Erfindungswesen die Dieselmedaille verliehen. Hinzu kommen viele weitere Auszeichnungen. Helmut Claas war auch Landwirt. Er betrieb eine Farm in East Anglia in Großbritannien und hielt sich dort häufig mit seiner Ehefrau Erika auf. Sie war bereits vor einigen Jahren gestorben.
Nachruf aus dem Westfalen-Blatt vom 07.01.2021